Die Plattform MAP umfasst Fachgesellschaften und Fachgremien aus den Disziplinen Mathematik, Astronomie und Physik. Sie unterstützt die Tätigkeiten dieser Organisationen und koordiniert und fördert die Forschung und Bildung im Bereich Mathematik, Astronomie und Physik.

Bild: ESO

«GPS, E-Banking und mehr – die Mathematik von Euler ist modern»

Interview mit Hanspeter Kraft, Präsident der Bernoulli-Euler-Gesellschaft

Seit mehr als hundert Jahren gibt die Euler-Kommission der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz die Werke und Briefwechsel des Mathematikers Leonhard Euler (1707–1783) heraus. Der letzte gedruckte Band erscheint am 28. Oktober. Der Abschluss ist ein Aufbruch ins digitale Zeitalter, erklärt Hanspeter Kraft, Präsident der Bernoulli-Euler-Gesellschaft.

Hanspeter Kraft

Die historische Aufarbeitung der Werke des Mathematikers Leonhard Euler (1707–1783) steht vor einem Wendepunkt…

Hanspeter Kraft: Die heutigen Möglichkeiten einer digitalen Edition mit extensiven Suchmöglichkeiten und inneren und äusseren Verlinkungen geben der Forschung und dem interessierten Laien ein Instrument in die Hand, welches das gedruckte Buch bei weitem übertrifft. Die Herausforderungen sind allerdings enorm, insbesondere wegen dem Sprachmix (Latein, altes Deutsch und Französisch) und den vielen Formeln.

Wozu dient das digitale Angebot?

Die digitale Plattform OBE.digital (für Opera-Bernoulli-Euler) soll langfristig alle Werke, Briefwechsel und Notizbücher nicht nur von Euler, sondern auch von den Bernoullis und deren Umfeld enthalten. Dazu kommen auch Originale, Verzeichnisse, Sekundärliteratur und vieles mehr. Alles wird open-access frei zur Verfügung stehen. Daher kann sich auch der interessierte Laie mit diesen Materialen beschäftigen und nicht nur die Expertinnen und Experten.

Auch mehr als 300 Jahre nach seiner Geburt ist Leonhard Euler bekannt. War er in seiner Zeit tatsächlich derart herausragend?

Es ist sicher richtig, Euler als den grössten Gelehrten seiner Zeit zu bezeichnen, und die meisten heutigen Mathematiker nennen ihn den grössten und produktivsten Mathematiker aller Zeiten. Es ist wirklich beeindruckend, was Euler in seinem Leben alles an absolut Neuem geschaffen hat, Ideen und Theorien, die vorher nicht einmal im Ansatz vorhanden waren.

Ist die Bedeutung vor allem historisch oder wirkt Eulers Werk nach?

Im Gegensatz zur Geschichte einer Naturwissenschaft, etwa der Biologie, wo sich das historische Interesse vor allem mit der Frage der Entstehung und der Herkunft moderner Begriffe beschäftigt, ist die Mathematik von Euler durchaus modern und auch heute von Bedeutung. Mathematische Ergebnisse werden nie falsch! Vielleicht verstehen wir sie später besser, dank neuer Erkenntnisse, oder sie erweisen sich als Spezialfälle eines umfassenderen Resultates, aber die bleiben dennoch richtig. Und es passiert immer wieder, dass klassische Resultate später erstaunliche Anwendungen finden, von denen man damals nicht einmal geträumt hatte. So gehen Ideen und Formeln von Euler bei Transportproblemen (GPS) ein, bei der Simulation des Blutkreislaufes, oder beim E-Banking, wie wir in den drei kurzen Videos leicht verständlich darlegen.

Was erhoffen Sie sich für die Zukunft der Euler-Edition?

Ich hoffe sehr, dass wir junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler finden werden, die sich für diese moderne Editionstätigkeit begeistern lassen und voll einsteigen. Die Anforderungen sind allerdings recht hoch: Neben sehr soliden historischen Kenntnissen braucht es auch gute mathematische Grundlagen und die Bereitschaft, moderne digitale Methoden einzusetzen. Bleiben wir zuversichtlich!

Hanspeter Kraft ist Präsident der Bernoulli-Euler-Gesellschaft. Zuvor präsidierte er die Ende 2021 aufgelöste Euler-Kommission der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz. Von 1981 bis 2014 war er ordentlicher Professor in Mathematik an der Universität Basel.

«In vielem steckt Euler drin!»
«In vielem steckt Euler drin!»
«In vielem steckt Euler drin!»

Kategorien

  • Geschichte

Kontakt

Prof. em. Hanspeter Kraft
Oberer Batterieweg 76
4059 Basel